„Wir sind Teil einer riesengroßen Familie.“

13 Jahre später: Warum Niklas noch immer dazugehört. Und wie es Simonia, Roland und Selina heute geht – ein Besuch bei Familie Kronlechner.

© Sterntalerhof, Stephan Zwiauer

„Es hört nie auf.“, sagt Simonia Kronlechner. „Man kann damit nie wirklich abschließen.“ 13 Jahre ist es nun her, dass Niklas gestorben ist, drei Jahre bevor die Geschichte von Familie Kronlechner für die erste Ausgabe des Magazins Der Sterntaler niedergeschrieben wurde. 13 Jahre, in denen Familie Kronlechner jedes Jahr im Spätherbst ins Auto stieg, um ein paar Tage im Südburgenland zu verbringen, um den Sterntalerhof zu besuchen und nach Niklas’ Gravensteiner Apfelbäumchen zu sehen.

„Das Apfelbäumchen ist für uns wie eine Grabstätte von Niklas geworden“, sagt Simonia, „als wäre er ein Teil davon“. Ein Ort, an den man zurückkehren kann, immer wieder, ein Ort, der für immer mit Niklas verbunden sein wird. „Dabei war es Selina, die ein Apfelbäumchen für ihren Bruder auswählte“, erinnert sich Simonia „und sie war es auch, die ganz genau wusste, wo es stehen sollte.“ Selina, die damals fünfjährige große Schwester, die noch so klein war – und doch schon so viel verstehen musste. Selina, für die sich Simonia und ihr Mann Roland nichts mehr gewünscht hätten, als dass sie glücklich ist. „Viel zu früh musste sie lernen, was Verlust bedeutet – und bis heute ist sie davon geprägt“, sagt Simonia. „Über ihre ganze Kindheit und Jugend hatte sie ein eigenes, besonders achtsames soziales Verhältnis zu anderen Kindern.“ Simonia hält kurz inne. „Sie wird nie jemandem bewusst weh tun – einfach weil sie weiß, wie das ist, wenn einem weh getan wird.“

Niklas’ Gravensteiner Apfelbäumchen ist ein stattlicher Apfelbaum geworden, in seinem Schatten steht heute das neu gebaute Sternenhaus. | © Sterntalerhof, Stephan Zwiauer

Niklas’ Gravensteiner Apfelbäumchen ist ein stattlicher Apfelbaum geworden, in seinem Schatten steht heute das neu gebaute Sternenhaus. | © Sterntalerhof, Stephan Zwiauer

Doch auch Selina hat gelernt, mit dem Schmerz umzugehen. Wenn ein Geburtstag kommt, oder ein Sterbetag und es „einen immer wieder einholt.“ Sie hat gelernt, dass es kein Verrat ist, wenn man irgendwann mal wieder etwas Lustiges tut oder mit Freunden lacht. Sie kann sie gut einordnen, diese Mischung aus Interesse, Mitleid und Unverständnis, die einem andere entgegenbringen. Und sie kann ganz selbstverständlich mit „ja“ antworten, wenn sie jemand fragt, ob sie Geschwister hat – auch wenn ihr kleiner Bruder nicht mehr lebt. „Das wird möglich, weil man einmal zugelassen hat, dass es einem nicht gut geht“, weiß Simonia. „Weil man sich eingestanden hat, schwach zu sein – und die Trauer nicht übertüncht oder verneint hat.“ Eine Erkenntnis wie ein kleiner Zwischenerfolg, im langen, vielleicht nie endenden Prozess des Abschließens. Eine Erkenntnis, die aber auch neue Perspektiven birgt. „So vieles hat sich in den letzten Jahren auch zum Positiven gewandelt“, sagt Simonia dankbar. Neue Begegnungen brachten neue Menschen, neue Freundschaften. Gemeinsam mit Roland steht sie weiterhin in enger Verbundenheit zum Verein „Herzkinder“ – und wird sogar für andere betroffene Familien aktiv, etwa wenn es darum geht, in ihrer Heimat Kärnten Rat in behördlichen oder institutionellen Fragen zu geben oder Kontakte herzustellen. Sie will für andere da sein, ihnen beistehen und Mut machen, den Schmerz nicht zu verneinen, aber gleichzeitig das Gute zu suchen – in den Erinnerungen, in der Gegenwart und in all dem, was noch kommen mag.

Nach 13 Jahren scheint die Geschichte von Niklas, Simonia, Roland und Selina noch nicht zu Ende erzählt. „Wir sind Teil einer riesengroßen Familie“, sagt Simonia, „und Niklas ist nach wie vor einer von uns.“ Das Gravensteiner Apfelbäumchen ist ein stattlicher Apfelbaum geworden, in seinem Schatten steht heute das neu gebaute Sternenhaus. Simonia, Roland und Selina werden wiederkommen, im Spätherbst wie jedes Jahr. Und Selina wird im Herbst zu studieren beginnen, aus der kleinen, großen Schwester ist eine erwachsene junge Frau geworden – eine große Schwester wird sie immer bleiben.

Sie wollen helfen?

Unterstützen Sie unsere Arbeit

Ich möchte helfen

Der Sterntaler im Abo

Gerne senden wir Ihnen den Sterntaler kostenlos zu

jetzt bestellen