“Hoffnung ist ein Urvertrauen.”

Wie erklärt man Hoffnung? Kann man Hoffnung stärken? Und was kann sie bewirken? Ein Gespräch mit Franz Horvath, in seiner Funktion als Seelsorger am Sterntalerhof.

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Was heißt es, sich um die Seele zu sorgen? Oder sie zu ver-sorgen?
Die Seele ist kein Organ, man kann sie nicht „lokalisieren“. Dennoch hat sie Relevanz und Wirksamkeit. Der Mensch besteht nicht nur aus Körper – er ist auch ein psychisches, ein soziales, ein spirituelles Wesen. Die Seele ist dabei der Sitz der spirituellen Dimension, das tiefste und letzte Geheimnis meiner Identität, sie steht für das, was mich als Menschen ausmacht. Ein Seelsorger hat keinen „Zugriff“ auf die Seele – aber er kann, musikalisch gesprochen, ihren Klang verstärken. Er wirkt wie ein Resonanzkörper, in dem die tiefsten und letzten Fragen des Menschen aufsteigen. Ich fühle mich als "Sympathisant", der mit-fühlt, als jemand der mitschwingt wie eine Saite. Und das aber nicht nur mit den leidvollen Erfahrungen eines Menschen, sondern mit der ganzen Vielfalt aller Emotionen – auch mit der Hoffnung.

Ist das nicht schwierig am Sterntalerhof? Wie begegnet man Hoffnung, wenn es wenig Hoffnung gibt?
Dass es keine Hoffnung mehr gibt, oder, dass sie verloren geht, sind landläufige Formulierungen, die ich für sehr problematisch halte. Zunächst muss man „Hoffnung“ und „Erwartung“ trennen. Die Erwartung ist die profane Schwester der Hoffnung. Erwartungen spielen sich im menschlichen, alltäglichen Bereich ab. Die Hoffnung übersteigt diesen Bereich. Im christlichen Kontext ist sie neben dem Glauben und der Liebe eine der göttlichen Tugenden. Sie steht für das Urvertrauen, dass das Leben immer stärker ist.

Das heißt, die Hoffnung stirbt zuletzt?
Es muss sehr viel passieren, dass dieses Urvertrauen zugrunde geht. Hoffnung kann beeinträchtigt sein, aber ganz verloren geht sie nie. Wenn die Gesundheit gefährdet und das Leben bedroht ist, kann sich Hoffnung aber wandeln. Der Fokus verschiebt sich. Menschen sehen, dass sie nicht mehr Auto fahren können, aber sie können jemanden bitten, sie wo hin zu bringen. Menschen sehen, dass sie ihren nächsten Geburtstag nicht mehr erleben werden, aber sie hoffen, dass ihnen das Weihnachtsfest mit der Familie noch vergönnt bleibt. Hoffnung ist wie ein kostbarer Diamant – je nach Lichteinfall schimmert sie anders.

Und der Sterntalerhof bringt dieses Schimmern zurück.
Stell dir eine Schleuse vor, wie in der Schifffahrt. Der Sterntalerhof ist ein Übergangsort, es gibt einen Weg, der zu uns führt und einen Weg, der weiter führt. Der Sterntalerhof ist aber auch der Ort, an dem wir Menschen „anheben“, um diesen neuen Weg erfolgreich zu beschreiten. Für dieses Anheben bilden wir den Schutzraum, in dem man sich sicher fühlt. Und wir bilden einen Möglichkeitsraum, die eigenen Ressourcen zu stärken und neue Kompetenzen zu finden. Es geht darum, Krisen zu über-brücken, Menschen in ein neues Fahrwasser zu heben. Und dabei – um beim Bild der Schleuse zu bleiben – gut „aufgehoben“ zu sein. In jeder Hinsicht.

Welche Rolle spielt dabei die Religion?
Der Sterntalerhof arbeitet grundsätzlich überkonfessionell. Unsere Familien bringen ganz unterschiedliche religiöse, spirituelle, weltanschauliche Prägungen mit. Ich muss herausfinden, ist die Spiritualität eine Ressource, auf die jemand zurückgreifen kann. Das ist den Menschen selbst nicht immer klar. An den Grenzen des Lebens stellt sich unweigerlich die Frage: Wie tragfähig ist mein religiöses oder spirituelles Konzept? Auch Menschen, die nicht religiös sind oder vielleicht mit einer religiösen Institution im Clinch liegen – sind nicht bar jeder Spiritualität. Das lateinische Wort religare bedeutet „sich festmachen“. Meine Frage muss lauten: Wo macht sich jemand spirituell, seelisch fest, auch, wenn er nicht unbedingt in einer Konfession sein Fundament findet? Was ist ihm „heilig“? Hier möchte ich anknüpfen. Und das unabhängig von meinem eigenen Glauben.

Jetzt zu Ostern – ist „Auferstehung“ auch „Hoffnung“?
Mehr noch. Im Akt der Auferstehung verschmelzen die drei göttlichen Tugenden Glaube, Liebe und Hoffnung. Die Auferstehung stellt die Schlüsselfrage: Hat der Tod das letzte Wort? Ist der Tod unsere Endstation? Und wieder sehen wir das Bild der Schleuse. Der Tod ist ein Übergang, das Sterben ist die letzte Krise. Wir gelangen zur „Aufhebung“ – und zwar nicht nur im theologischen Sinn, in dem wir in den „Himmel aufgehoben“ werden. Aufheben bedeutet auch, das irdische Leben wird beendet, Materie zerfällt. Alles was an Beziehung da ist, wird jedoch aufbewahrt – das ist, was wir unseren Familien am Sterntalerhof mitgeben wollen. Wie kultiviere ich die Beziehung zu dem Verstorbenen, für mich, in meiner trauernden Seele? Damit verbunden ist „Auferstehen“ immer auch ein „Aufstehen“ – und ein Akt, der für uns alle hier und jetzt im Diesseits erlebbar ist.

Wie gehst du für dich mit den traurigen Momenten deiner Arbeit um?
Ich bin – wie wir alle am Sterntalerhof – bemüht um eine gute Balance zwischen Anteilnahme und Abgrenzung. Dabei arbeiten wir im Team, können die Last also auf mehrere Schultern verteilen. Ich für mich nutze meine Fahrt nach Hause, am Abend. Ich steige bewusst in mein Auto und verbringe zwanzig Minuten im Gedanken, die Brücke eines Flusses zu überqueren: Wenn ich das Ufer wechsle, geht nichts verloren, ich nehme nur ein Stück weit Abstand davon.

Wir alle leben in einer Pandemie. Was macht Corona mit uns?
Ich denke, wir erleben Corona als kollektive Erschütterung. Wir wissen nicht was kommt, aber wir spüren – es ist viel in Bewegung geraten. Mir kommt vor, als hätten wir uns vor Corona ein bisschen wie „in Watte gepackt“ gefühlt. Die Pandemie macht uns die Verletzlichkeit der menschlichen Natur wieder bewusst. Die vielen schlechten Nachrichten bauen eine negative Spirale auf – auch das belastet uns, selbst in den glücklichen Fällen, in denen wir nicht direkt betroffen sind.

Und wie bewahren wir die Hoffnung?
Indem wir zu dieser Spirale eine gegenläufige Dynamik entwickeln. Wir können für uns selbst kleine Hoffnungszeichen wahrnehmen – oder kleine Hoffnungszeichen setzen. Wir können dem Schweren im Leben etwas Fröhliches, Belebendes entgegensetzen. Vielleicht, indem wir einmal weniger die Corona-Nachrichten verfolgen und stattdessen ein Tagebuch der schönen Dinge beginnen, indem wir für uns freudebringende Erlebnisse festhalten. Diese freudebringenden Erlebnisse, dieses Gute im Leben – wir tendieren dazu, es schnell für selbstverständlich zu nehmen. Wenn wir dafür ein Bewusstsein entwickeln – haben wir schon viel geschafft!

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