In der Ruhe liegt die Kraft

Behutsame Auswahl, lange Ausbildung: Wie ein Pferd zum Therapiepferd wird.

© Werner Zangl

Ausreiten – über Wiesen und Felder, durch den Wald: Freiheit. Das Pferd trägt uns, gefühlt bis ans Ende der Welt. Das sanfte Schaukeln auf seinem starken Rücken verleiht uns innere Ruhe, nirgends erleben wir seine tierische Kraft so eindrücklich wie in freier Natur. Und nicht nur, wenn vier Pferdebeine zwei Kinderbeine ersetzen, die nicht mehr gehen können – zählt ein Pferde-Ausflug in die malerische Umgebung des Sterntalerhofs zu den absoluten Highlights, die sich hier erleben lassen. Aber auch am Hof selbst, auf einer Wiese oder gar in der Reithalle sind unsere Pferde wertvolle Partner im therapeutischen Reiten – Gefährten und Spielkumpanen zugleich.

„Wir kreieren Fantasiewelten“ lächelt Therapeutin Michi. „Einen Nachmittag lang sind wir Cowboys im Wilden Westen – oder Prinzessinnen in einem fabelhaften Königreich.“ Sie hat einen Parcours mit mehreren Stationen aufgebaut: Leere-Dosen-Umwerfen, Hufeisen hämmern, eine Wäscheleine mit Kleidungsstücken – echte Herausforderungen, nicht nur für die kleinen Helden, sondern auch für die großen Vierbeiner, auf deren Rücken die Kinder den Parcours meistern und die als vierbeinige Partner fest in das Programm des therapeutischen Reitens miteingebunden sind.

Wie kaum ein anderes Tier eignet sich das Pferd für den Einsatz in tiergestützten Therapieformen – schon aufgrund seiner körperlichen Voraussetzungen und seiner artspezifischen Verhaltensweisen: Es trägt den Menschen bereitwillig auf seinem Rücken, bewegt ihn, schaukelt ihn in seine Mitte und bringt ihn in Bewegung, es bietet Kontakt und eine hohe Bereitschaft zur Kooperation an. Und – es ist groß und mächtig und strahlt eine beruhigende Kombination aus Kraft, Ruhe und Zuverlässigkeit aus, die nicht nur Kinder fasziniert. Doch der Schein kann trügen – Pferde sind Fluchttiere und nicht jedes Pferd bringt die charakterlichen Voraussetzungen mit, um mit Prinzessinnen-Bändern dekoriert das Geklimper von leeren Aludosen zu ertragen und dabei stoisch und verlässlich auf teils unberechenbare kindliche Verhaltensweisen zu reagieren. Schon bei der Auswahl eines künftigen Therapiepferds muss das Team vom Sterntalerhof daher auf eine Reihe von charakterlichen Indikatoren achten: Wie steht es um seine Nervenstärke, reagiert es gelassen und bleibt es auch ohne Hilfengebung ruhig stehen? Ist es neugierig, aufmerksam und am Menschen interessiert? Wie reagiert es auf Hilfe und Korrektur und – auf Materialien, auf Gegenstände und auf Situationen, die es nicht kennt? Charakterliche Grundlagen, die genauso unabdinglich sind, wie ein kräftiger Körperbau und eine gesunde Bemuskelung. Grundlagen, für eine lange und individuelle Ausbildung zum Therapiepferd.

Training für Körper und Seele

Jeder Neuzugang in der Pferdestaffel des Sterntalerhofs, muss sich erst an die neue Umgebung gewöhnen – an die Stallanlage mit ihren bestehenden Strukturen und Zeitabläufen und an die bestehende Herde. Bis zu drei Monate dauert diese Eingewöhnungsphase, dann nimmt das Team seine Ausbildungsarbeit auf. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass der Vertrauensaufbau durch feste Bezugspersonen im Training erleichtert wird,“ sagt Michi, „auch wenn Pferde ja eigentlich personen-unabhängiger reagieren als etwa Hunde.“ So verbringt jede Therapeutin am Sterntalerhof eine gewisse Anzahl an Trainingsstunden mit dem Pferd – um es auszubilden und das Vertrauen, die Verbindung zwischen Mensch und Tier nachhaltig zu stärken. Unterschiedliche Therapeutinnen konzentrieren sich dabei auf unterschiedliche Ausildungsbereiche: Das „Voltigieren“ umfasst eine Longierausbildung in allen 3 Gangarten und Voltigierübungen im Sitzen, Knien und Stehen. Die Dressurausbildung fokussiert auf den Aufbau und Erhalt der Muskulatur und trainiert die Kondition der starken Vierbeiner. Während der „Materialerfahrung“ wird das Pferd langsam an neue Materialien gewöhnt, die später in den Fantasiewelten des therapeutischen Reitens zum Einsatz kommen, wie etwa Tücher, Bälle, Wäscheklammern oder gar Regenschirme. Und die „Bodenarbeit“ dient mitunter dem Erlernen der Körpersprache und der nonverbalen Kommunikation zwischen Therapeut und Pferd: Bestimmte Bewegungen oder gar Atemtechniken der Therapeutin, die beim Pferd eine spezifische Reaktion hervorrufen.

Erst wenn ein Pferd all diese Ausbildungsbereiche durchlaufen hat, erst wenn es auch in Ausnahmesituationen sicher und verlässlich reagiert – kann es als Therapiepferd am Sterntalerhof eingesetzt werden. Dann jedoch – ist es mehr als ein Assistent. Für die Kinder ist es gefühlter Mittelpunkt von Michis Fantasiewelt, Kumpel, Freund und Helfer beim Meistern kleiner und großer Herausforderungen. Für Michi selbst ist es ein Co-Therapeut, ein Begleiter bei der Förderung von Konzentration und Motorik und – ein Partner beim sorgsamen Abtasten von Seelenwelten.

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