Projekt I-Ah

Ein Tag, eine Schulklasse, ein spannender Plan: Die 4B einer steirischen HBLFA baut Eseln und Ziegen ein neues Gehege.

Heute wird ein großer Tag, denkt Laura, als sie noch ein bisschen verschlafen mit ihren Klassenkameraden auf dem Schulhof in den Bus steigt. Es dämmert gerade, und obwohl es jetzt Anfang April bereits ein bisschen nach Frühling riecht, legt sich heute ein kalter Nebel um den Hügel, auf dem die Schule thront: Laura besucht die 4B der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft (HBLFA) Raumberg-Gumpenstein in der nördlichen Steiermark. Das ganze Schuljahr lang hat sich die Klasse immer wieder mit dem Sterntalerhof befasst. Und heute ist es soweit – heute geht’s zum Abschluss des Projekts auf Exkursion ins Südburgenland.

Gute zweieinhalb Stunden Fahrt. Laura spürt die Vorfreude und versucht sich an die Details am Sterntalerhof zu erinnern. Der erste Besuch der Klasse im vergangenen Herbst scheint ihr schon so fern. Damals war sie von der Größe des Sterntalerhofs überrascht – und von der Ruhe, die dort herrschte. Na, heute werden wir für ein wenig Unruhe sorgen, denkt Laura und muss schmunzeln. Sie erinnert sich an Trixi und Kasimir, die zwei Esel, und an Wölkchen, Pauli und Herrn Fridolin, die drei Zwergziegen. Wie könnte sie sie vergessen, sie hat sich schließlich das ganze Schuljahr mit ihnen beschäftigt – oder besser: mit der Planung des neuen Geheges für die Esel und die Ziegen. Deren speziellen Bedürfnissen sollte es stärker entsprechen, und sie sollten einen vor Sonne, Wind und Wetter schützenden Unterstand bekommen, der überdies barrierefrei, also rollstuhlgerecht zugänglich ist.

Mit einem Zischen öffnen sich die Bustüren, sie sind angekommen. Lauras erster Blick fällt auf die große Koppel und den Offenstall, bei dem zwei Pferde gemütlich frühstücken. Voll freudiger Anspannung steigt sie aus dem Bus, hinaus in die frische Frühlingsluft. Nach einer kleinen Stärkung inklusive Vorbesprechung im großen Gemeinschaftsraum geht’s endlich los, vorbei an der Reithalle zur hintersten Koppel und zum Gehege der Ziegen und Esel. Trixi und Kasimir verbringen den Tag mit den Ziegen und Schafen auf einer anderen Koppel, während ihr Zuhause umgebaut wird. Alles ist bereits vorbereitet, die alten Zäune sind abgebaut und nach Harz duftende, sauber gehobelte Kanthölzer aus Fichte, Tanne, Lärche und Kiefer liegen in allen Formen und Größen fein säuberlich zum Aufbau bereit. Ans Werk, Kameradinnen und Kameraden!

Esel – sensibel und gelassen

Und schon zu Mittag steht er, der neue Unterstand. Laura tritt ein paar Schritte zurück und betrachtet den Bau. Irgendwie mächtig ist er geworden, beeindruckend, am Plan hat das doch alles viel kleiner ausgesehen. Und noch während sie grübelt, ob sie denn auch alles richtig bemessen haben, reißt sie ein kräftiges I-ah jäh aus ihren Gedanken. Therapeutin Verena Gumhalter ist mit Trixi zur Begutachtung gekommen. Die Eselstute steht ruhig da und inspiziert ihr neues Zuhause und die vielen Maschinen und Menschen drum herum mit stoischer Gelassenheit. Verena erklärt, dass es im Naturell der Esel liege, zunächst mal abzuwarten und genau auf ihre Umgebung zu achten. Esel reagieren eher als dass sie agieren – sie sind geduldig und ausdauernd. Eigenschaften, die sie so wertvoll machen, im täglichen therapeutischen Einsatz. Wie alle Tiere erleben sie die Kinder und Familien am Sterntalerhof unvoreingenommen und reagieren sensibel und individuell auf die Bedürfnisse und Gefühlswelten „ihrer“ Klienten. Das können sie aber nur, wenn sie gesund und ausgeglichen sind, weiß Laura. Umso wichtiger ist es, dass die artgerechte Haltung im neuen Gehege gewährleistet ist.

Die Sonne ist bereits hinter den Wäldern Richtung Lafnitz untergangen als Laura, die letzten Schrauben in das neue Gatter dreht. Es ist wieder ruhig geworden am Sterntalerhof. Trixi, Kasimir, Wölkchen, Pauli und Herr Fridolin schreiten still und beinahe andächtig in ihr neues Zuhause. Bevor jedoch die Nachtruhe einkehrt, bleibt noch Zeit für die allabendliche Fütterungsrunde, das Ende jedes Therapietages der Familien am Sterntalerhof – und nur eines von vielen in den Tagesablauf eingebauten Ritualen. Für Laura und ihre Klassenkameraden heißt es nun Abschied nehmen. Das Gehege ist fertig, ihre Arbeit getan.

Heute war wirklich ein großer Tag, denkt Laura als der Bus vom Parkplatz rollt und die Koppeln hinter sich lässt. Einen Augenblick lang glaubt sie noch, ein freudiges I-Ah zu hören. Gern geschehen Trixi, gern geschehen Kasimir.

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