Mein Leben der Tod

Bestatter schaffen Zeit zum Trauern in der Zeit des Trauerns. Ein Gespräch mit David Kinelly.

David Kinelly hat wenig Zeit für mich. Zweimal verschiebt er kurzfristig den Termin für unser Gespräch. Und auch während wir reden, steht er zwischendurch auf und lässt mich fünfzehn Minuten allein. Trauernde Angehörige gehen vor. Immer. Und vor allem. David ist Bestatter, einer von über sechshundert in Österreich. Ein Beruf, über den ich wenig weiß, mit dem ich selbst noch nie zu tun hatte. Wie man denn Bestatter wird, will ich wissen. Die staatliche Prüfung zur Konzession, sie fällt nur in einem Nebensatz. Viel wichtiger ist David, dass er schon als Kind in den Betrieb hineingewachsen ist, ein Familienbetrieb, seit über vier Jahrzehnten. Im Jahr 2000 hat er ihn von seinem Vater übernommen und ihn seither sukzessive ausgebaut, neben dem Hauptsitz im südburgenländischen Markt Allhau betreibt er mit seiner Frau und deren Cousin insgesamt vier Zweigstellen in umliegenden Gemeinden. Ich erfahre, dass die Bestatter früher meist auch Tischler waren, was sich auf die Herstellung der Särge zurückführen lässt. Auch David ist noch gelernter Tischler, zimmert selbst aber nicht mehr. Die Zeiten haben sich geändert, Särge werden heute zugekauft. Das Berufsbild des Bestatters hat sich gewandelt, heute liegt der Fokus ganz auf der individuellen Betreuung der Hinterbliebenen. „Sie sind es, die sich in der Zeit des Trauerns befinden. Wir sind es, die dafür sorgen, dass sie auch Zeit zum Trauern finden.“ definiert es David. Zu manchen Hinterbliebenen fährt er nach Hause, andere besuchen ihn im Büro. Vom ersten Moment an beginnt er dann, die Angehörigen organisatorisch zu entlasten. Von Urkunden, Ämtern und Behörden bis hin zu ersten Gesprächen mit dem Pfarrer trifft David alle notwendigen Vorkehrungen. Daneben versucht er zu erfahren, wer der Verstorbene war, wie er lebte, vielleicht was er besonders mochte und was nicht. „Jeder Sterbefall ist anders“, sagt er nachdenklich „wie auch jeder Mensch anders ist.“ Bestmöglich will er auf den Menschen selbst und auf die individuellen Wünsche der Hinterbliebenen eingehen. Das erfordert Feinsinnigkeit, Gespür und Erfahrung – aber auch technische Möglichkeiten: einen Plotter etwa, mit dem er Leinenbilder für die Aufbahrung herstellt, oder Grafikprogramme, mit denen er ganze Fotobücher herstellt, die den Tag des Abschieds für die Angehörigen festhalten. Ich bin überrascht.

DIe dankbarkeit als lohn

Natürlich gebe es belastende Momente. David weicht nicht aus, als ich die Frage nach dem Tod als ständiger Begleiter im beruflichen Alltag stelle. Etwa, wenn es junge Menschen betreffe – oder gar Kinder. „Auch Bestatter sind nur Menschen, es ist wichtig, den Ausgleich zu finden.“ David findet diesen Ausgleich meist in der Familie und in seinen eigenen beiden Kindern. Manchmal aber auch in seinen Hobbies, wie etwa in der Musik oder in seiner Leidenschaft für Autos – wenn es die Zeit erlaubt. Denn mit der Zeit ist das so eine Sache für einen Bestatter. Sterbefälle kennen keinen Dienstplan. Und trauernde Angehörige gehen vor. Immer. Und vor allem. Rund um die Uhr und 365 Tage im Jahr muss David bereit sein. So manchen Familienausflug musste er wieder abbrechen. Urlaub ist nur selten und selbst wenn, darf sich das Reiseziel nicht viel weiter als drei Autostunden von Zuhause befinden – damit er jederzeit rasch vor Ort ist, wenn sich Sterbefälle häufen.

Dennoch spüre ich, dass David seinen Beruf sehr liebt. „Dieser Moment, wenn sich die Angehörigen am Schluss für unsere Arbeit bedanken“, sagt er stolz, dieser Moment sei etwas Wunderbares, daraus schöpfe er seine Kraft. Und fügt hinzu, dass auch sein ältester Sohn bereits Interesse an Papas Beruf zu zeigen beginnt.

Jetzt, wo wir uns schon ein bisschen besser kennen, gebe ich ihm gegenüber offen zu, dass ich von alldem keine Ahnung hatte. Nie ist mir ein Bestatter bislang begegnet, das „zum Glück“ schlucke ich hinunter. David lächelt – und mahnt mich auch ein bisschen. Es komme immer öfter vor, dass ihm Angehörige völlig unvorbereitet gegenüber stünden. „Dann herrscht oft Chaos inmitten der Trauer“, sagt er matt, „weil niemand weiß, was der Verstorbene wollte, wo sich Urkunden befinden oder – ganz profan: wer die hohen Begräbniskosten bezahlt.“ Das ließe sich leicht umgehen – indem man sich schon zu Lebzeiten mit diesen Themen beschäftigt. Sich vielleicht entsprechend versichert. Und vor allem: mit seinen Lieben darüber spricht. Nicht nur, weil der Bestatter sein Handwerk dann besser verrichten kann. David lächelt leise: „Sondern auch weil der Tod ganz einfach zum Leben gehört.“

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